DER SCHRIFTFARN – EIN FARN MIT VORLIEBE FÜR ALTE GEMÄUER

Dieser unauffällige und eher seltene Farn ist in niedrigen Höhenlagen in Ruinen, alten Mauern und auf trockenem, warmem Kalkstein anzutreffen. Auf dem Gebiet des Naturparks Chasseral findet man den Schriftfarn (Asplenium ceterach) vor allem in den Zwischenräumen der alten Trockenmauern in den Rebbergen am Bielersee.

INSTANDSETZUNG DER REBBERGSMAUERN

Ursprünglich wurden die alten Trockenmauern in den Rebbergen am Bielersee errichtet, um den Weinanbau in den steilen Lagen überhaupt zu ermöglichen. Heute ist dieses Rebgebiet im Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung (BLN) aufgeführt – damit gehört es zu den wertvollsten Landschaften der Schweiz und muss, ebenso wie die Stützmauern, geschützt werden. Häufig weisen die alten Trockensteinbauten Schäden auf, welche durch Wasser- oder Bodendruck, Witterungseinflüsse, Maschinenvibrationen oder auch durch die Wurzeln von Gehölzen wie Efeu oder Roter Hartriegel verursacht wurden. Um diese Mauern zu erhalten, unterstützt der Naturpark Chasseral Gemeinden und Rebbergseigentümerinnen und -eigentümer bei der Umsetzung von Projekten zur Instandsetzung von Trockenmauern. Die Trockensteintechnik ist zwar teurer als das herkömmliche Mauern mit Beton, bringt aber einen echten Mehrwert mit sich, und zwar ästhetisch, kulturell und ökologisch.

MAUERN VOLLER LEBEN

Trockenmauern bieten einer schier unendlichen Anzahl von Tier- und Pflanzenarten einen Lebensraum und spielen daher für die Erhaltung der Biodiversität eine wichtige Rolle. In den Zwischenräumen dieser Bauwerke siedelt sich eine spezifische Vegetation an, die an trockene und warme Bedingungen angepasst ist. Hier einige Beispiele für Pflanzen, die Sie in den Mauern des Rebbergs am Bielersee bewundern können: das Zimbelkraut (Cymbalaria muralis) mit seinen violetten Blüten, der Gelbe Lerchensporn (Corydalis lutea) mit seinen gelben Blüten, diverse Sedum-Arten (Sedum) und verschiedene kleine Farne wie die Mauerraute (Asplenium ruta-muraria), der Braunstielige Streifenfarn (Asplenium trichomanes) oder auch der Schriftfarn (Asplenium ceterach). Für die Entwicklung dieser spezialisierten Vegetation, die sich über Jahrzehnte ziehen kann, sind die Mauerritzen unerlässlich.

FARNE – PFLANZEN OHNE BLÜTEN

Wie alle Farne bildet auch der Schriftfarn keine Blüten aus und benötigt Wasser, um sich fortzupflanzen. Tatsächlich vermehren sich diese Pflanzen mithilfe von Sporen, pflanzlichen Mikroorganismen, die verstreut werden und nur auf einem feuchten Substrat keimen können. Diese Sporen befinden sich in den Sporenkapseln (Sporangien), welche in der Regel an der Unterseite des Farnwedels (auch Wedelblatt genannt) angeordnet sind.

ALS AUFERSTEHUNGSPFLANZE AN TROCKENHEIT ANGEPASST

Der Schriftfarn weist eine bemerkenswerte Besonderheit auf: Er ist eine wahre Auferstehungspflanze. Bei anhaltender Trockenheit rollt er seine Wedel zusammen und verdreht sie so, dass die Unterseite, die zum Schutz der Sporen dicht mit hellbraunen Schuppen bedeckt ist, zur Oberseite wird. Durch das Einrollen der Wedel passt sich der Schriftfarn an die Trockenheit an, denn er reduziert so seine Wasserverdunstung und schützt sich damit vor dem Vertrocknen. Er sieht dann zwar aus wie eine tote, völlig ausgetrocknete Pflanze, doch er lebt noch und kann – sobald er wieder genug Wasser erhält – erneut ergrünen und weiterwachsen.