Das Haselhuhn – der «Geist unserer Wälder»

Unauffällig und nur schwer zu beobachten, lebt das Haselhuhn in den Bergwäldern des Jura und der Alpen. Es ist an die Kälte angepasst, nutzt im Winter die isolierende Wirkung der Schneedecke und ernährt sich fast ausschliesslich von den Knospen von Vogelbeere, Elsbeere und Hasel. Seit 20 Jahren arbeitet der Naturpark Chasseral gemeinsam mit den Forstbetrieben daran, die Schlüsselhabitate dieser anspruchsvollen Art zu erhalten und durch das Öffnen kleiner Lichtungen zu fördern. Die Beobachtung dieser Tierart bleibt eine Herausforderung: Nach mehreren schneearmen Wintern werden neue Methoden getestet – etwa die automatisierte akustische Erfassung –, um die Entwicklung dieses kleinen Waldhuhns, «Geist unserer Wälder», besser nachzuverfolgen.

Als kleine Cousine des deutlich bekannteren Auerhuhns trägt das Haselhuhn ein Gefieder, das aus der Ferne wenig spektakulär wirkt, aus der Nähe jedoch feine Nuancen und zarte Kontraste offenbart. Im Gegensatz zu seinem grossen Verwandten mit den imposanten Balzritualen ist die Lebensweise des Haselhuhns ebenso zurückhaltend wie sein Federkleid: von absoluter Diskretion geprägt. Nur mit ausserordentlich viel Geduld und Glück kann es gelingen, dieses Tier bei seinen Aktivitäten zu beobachten. Doch meist muss man sich damit begnügen, die Spuren zu lesen, die der kleine «Geist unserer Wälder» in seinem Territorium hinterlässt.

Nicht verfroren ...

Das Haselhuhn liebt kalte Klimazonen. Sein Verbreitungsgebiet deckt sich weitgehend mit dem der Taiga, dem borealen Wald Eurasiens. Ganz im Südwesten seines Verbreitungsgebiets findet es vor allem in höheren Lagen geeignete Lebensbedingungen – insbesondere in den Bergwäldern des Jura und der Alpen.

Wie viele andere boreale Arten ist es bemerkenswert gut an die Kälte angepasst. So besitzt jede Feder des Haselhuhns einen zweiten, feinen Federkiel, der wie eine isolierende Daunenschicht wirkt. Ein weiteres Beispiel: Das Haselhuhn verbringt die Nacht manchmal in einem Iglu. Wenn die Schneedecke ausreichend locker und tief ist, lässt es sich hineinfallen und bewegt sich einige Dezimeter unter die Oberfläche, bis es vollständig unter dem Schnee verschwunden ist. Dort bleibt es die ganze Nacht, geschützt durch die isolierende Wirkung des Pulverschnees. Am Morgen bricht es das Dach seines Einmal-Iglus auf und kommt wieder heraus.

... aber auch nicht besonders abenteuerlustig!

Standorttreu und in der Regel monogam kennen die Haselhuhnpaare jeden Strauch, ja sogar jeden Zweig ihres Territoriums. Manche Paare bleiben während ihres gesamten Erwachsenenlebens – durchschnittlich sechs bis sieben Jahre – im gleichen Waldstück von einigen Dutzend Hektaren. Allerdings müssen diese Gebiete den Hühnervögeln das ganze Jahr über alles bieten, was sie benötigen. Bergwälder bieten mit ihrer vielfältigen Mosaikstruktur aus kleinen krautreichen Lichtungen und dichten Baumgruppen mit Sträuchern verschiedener Arten und einem hohen Anteil an Nadelbäumen alles, was Haselhühner brauchen. So finden sie das ganze Jahr über Schutz und Nahrung.

Unterschlupf und ein reich gedeckter Tisch

Das Leben des Haselhuhns spielt sich zwischen dem Boden, wo es sehr viel Zeit verbringt, und einer Höhe von rund sieben bis acht Metern ab. Es bewegt sich hauptsächlich zu Fuss fort; der Flug ist fast ausschliesslich der Flucht oder sehr kurzen Distanzen vorbehalten. Für die Vegetarierin ist der Sommer sehr ergiebig: Alles, was sie braucht – Früchte, junge Triebe, Samen und zarte Zweige – findet sie im Unterholz der Bergwälder.  Das sommerliche Laubwerk bietet ihr zahlreiche Unterschlupfmöglichkeiten, um sich vor Füchsen, Mardern und anderen Räubern zu schützen.

Im Winter wird die Situation schwieriger, sobald die letzten Beeren verschwunden sind. Unter der Schneedecke kommt das Haselhuhn nicht mehr an die Nahrung am Boden. Das kleine Waldhuhn ernährt sich dann ausschliesslich von Knospen und Zweigen bestimmter Weichhölzer – Vogelbeere, Elsbeere und Hasel sind dann quasi alles, wovon es sich ernährt. Mit dem Laubfall fällt für das Haselhuhn auch ein Grossteil der Schutzmöglichkeiten weg. In dieser Jahreszeit bieten dann nur noch Tannen und Fichten Schutz vor ihrem Hauptfeind, dem gefürchteten Habicht. Damit das Haselhuhn während seiner langen Wintermahlzeiten sicher bleibt, ist es auf eine feine Mischung aus Elsbeeren, Vogelbeeren und Haselsträuchern sowie Nadelbaumzweigen – zwischen Bodenhöhe und sieben bis acht Metern Höhe – angewiesen.

Die Paarungszeit

Mit dem Erscheinen der ersten Krokusse, Weidenkätzchen und zarten Blätter machen sich die Paare an die Arbeit: Der sehr hohe Gesang wird fast ausschliesslich bei Revierkonflikten oder während der Paarbildung von sich gegeben, was die Erfassung dieser Vogelart nicht gerade erleichtert. Wie beim Auerhuhn geht der Paarung eine Balz voraus: mit fächerförmig ausgebreitetem Schwanz und dicht über dem Boden gehaltenen Flügeln, begleitet von kleinen Sprüngen und Flügelschlägen. Im Gegensatz zum Auerhahn und seinen Balzplätzen, an denen sich mehrere Hähne und Hennen versammeln, findet die Balz hier in der strikten Intimität des Paares statt.

Nach einer Brutzeit auf dem Boden in einem einfachen, gut versteckten Nest schlüpfen die Küken, sofern die Eier nicht von Wildschweinen oder Füchsen gefressen wurden. Sie verlassen ihr Nest schnell und endgültig, und die Henne führt sie ins Unterholz auf Nahrungssuche.  Um ihr sehr schnelles Wachstum zu gewährleisten, benötigen die Küken Proteine: Insekten bilden während zwei bis drei Wochen den Hauptbestandteil ihrer Nahrung.

Wenn sie die Küken schaffen, den Fressfeinden zu entkommen und Unwetter zu überstehen, zerstreut sich die Familie nach und nach. Nun beginnt für die Jungtiere die gefährliche Phase der Suche nach einem eigenen Revier. Sie legen dabei weite Strecken zurück, während das Elternpaar wieder zu seiner Einsamkeit zurückkehrt und die Beeren und Samen geniesst, die der Herbst zu bieten hat. In dieser Jahreszeit können aufmerksame Ohren manchmal auch Gesänge hören, die vermutlich dazu dienen, den Zusammenhalt des Paares zu stärken und junge Haselhühner auf der Suche nach einem Revier fernzuhalten.

Massnahmen für ihren Lebensraum und Versuche zur Bestandserfassung

In den Bergwäldern des Naturparks fehlt es am häufigsten an dem winterlichen Teil des Lebensraums, der von Nadelbäumen und Weichhölzern dominiert wird. Gemeinsam mit Förstern und Waldeigentümern setzt sich der Naturpark seit 20 Jahren dafür ein, den Lebensraum der kleinen Waldhenne, «Geist unserer Wälder», zu verbessern. Ziel ist es insbesondere, den winterlichen Lebensraum zu fördern und kleine, gut geschützte Lichtungen zu schaffen.

Um die Wirksamkeit dieser Massnahmen beurteilen zu können, ist es wichtig zu wissen, wie es den Haselhühnern im Naturpark geht. Zwischen 2013 und 2019 führten der Naturpark und die Schweizerische Vogelwarte Sempach im Winter Spurensuchen durch – etwa nach Fussabdrücken oder Kot –, die ein deutlich klareres Bild ihrer Verbreitung ermöglichten. Die schneearmen Winter der letzten Jahre erschweren jedoch die Wiederholung dieser Methode. Deshalb werden neue Techniken geprüft, wie etwa die automatisierte akustische Erfassung. Diese soll in Zusammenarbeit mit der Vogelwarte und den Kantonen helfen, die Entwicklung der Bestände des kleinen scheuen Waldhuhns präziser nachzuverfolgen.

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